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Höhenrettungsgruppe

Das Aufgabenspektrum der Feuerwehr Espelkamp ist im Laufe der Jahre immer größer geworden. Stand anfangs noch die Brandbekämpfung im Vordergrund, so wuchs mit der Ansiedlung von Industriebetrieben die Zahl der technischen Einsätze. Durch die Entwicklung der Wohn-, Verkehrsinfrastruktur, der Industrie, des Gewerbes, zunehmend bei Umweltkatastrophen (Sturm, Hagel und Hochwasser) nehmen besonders in den letzten Jahren Einsätze im absturzgefährdeten Bereich wie Hochbauten, Kränen, Windanlagen usw. zu.

Die Espelkamper Wehr unterhält seit 2004 – als einzige Feuerwehr im Kreis Minden-Lübbecke – eine „Höhenrettungsgruppe“. Diese spezielle Einheit setzt sich aus Kameraden/ -innen aus allen Löschgruppen (Ortsteilen) der Wehr sowie der Nachbarwehren zusammen und ist im Gerätehaus der Löschgruppe Vehlage untergebracht. Die Ausrüstung der Höhenretter wird in einem ehemaligen Löschfahrzeug vorgehalten bzw. mitgeführt.

Höhenrettung und Sicherung eine neue Aufgabe für die Feuerwehr?

Nein –  Rettungs- und Hilfeleistungseinsätze in Höhen und Tiefen gehören seit Jahrzehnten fest zum Aufgabenbereich der Feuerwehren. Aus einer alten Feuerwehraufgabe ist ein völlig neuer Aufgabenbereich entstanden. Das Ab- und Aufseilverfahren, besser als Höhenrettung bekannt, wird von den Experten als Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen (SRHT) bezeichnet. Dies ist ein Verfahren, das unter Anwendung spezieller Geräte und Ausrüstungen ein sicheres Überwinden von Höhenunterschieden ermöglicht. Es geht darum, an Einsatzstellen wirksam Hilfe zu leisten, an denen herkömmliches Gerät – wie zum Beispiel die Drehleiter oder der Telekopmast aufgrund der begrenzten Rettungshöhe oder wegen widriger Örtlichkeiten – nicht eingesetzt werden können. Dabei können mit verschiedenen Methoden des Ab- und Aufseilens beliebige Punkte eines Objektes erreicht werden. Die SRHT unterscheidet sich grundsätzlich von herkömmlichen Methoden der Menschenrettung und erfordert deshalb auch eine dafür spezifische Ausbildung.

Mit der Einführung der neuen Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV 1/2) „Grundtätigkeiten – Technische Hilfeleistung und Rettung“ wurde ein jahrelang stiefmütterlich behandeltes Thema neu bewertet. Das „Sichern in absturzgefährdeten Bereichen“ und das „Retten und Selbstretten“ wurde hier, analog zur Bergrettung, dem Stand der Technik angepasst.

An die Höhenretter werden hohe Anforderungen in puncto körperliche Belastbarkeit und Ausdauer gestellt. An diese Einsatzkräfte werden in der praktischen Ausbildung aber besonders unter Einsatzbedingungen extrem stark physisch und psychisch belastet. Aufgrund von großen Höhen, widrigen Witterungsbedingungen, vorhandener Strahlungswärme, schwerer körperlicher Anstrengungen, Tragen einer speziellen Schutzbekleidung und einer technischen Ausrüstung mit einem hohen Gewicht sowie dem Arbeiten unter Zeitdruck und dem ständigen Absturzrisiko, erreichen diese Feuerwehrangehörigen oftmals ihre individuellen Leistungsgrenzen.

Folgende Kriterien stellen die besonderen Belastungen heraus:

  • Die Einsätze oder Übungseinsätze erfolgen an zum Teil sehr exponierten Stellen. Einsatzkräfte, Auszubildende und Ausbilder /Trainer werden dort häufig großen Witterungsbedingungen ausgesetzt.
  • Besondere physische Belastungen bei Arbeiten in der Höhe und im Seil sind durch den hohen energetischen Aufwand beim Auf- und Abstieg gekennzeichnet. Dabei kann es zu körperlicher und geistiger Erschöpfung kommen. Über Auswirkungen derartiger Belastungen liegt ein Untersuchungsergebnis von Dr. med. Botta, Arbeitsmedizinischer Dienst Magdeburg vor. So wurden beispielsweise beim Aufstieg auf Containerverladebrücken mit 30 Metern Steighöhe Herzschlagfrequenzen von 160 – 170/min gemessen. Für das Besteigen von Sendemasten konnten ähnliche Werte ermittelt werden. Bei Aufstiegsgeschwindigkeiten von 10-12 Metern/Minute beträgt die physiologische Steigleistung 185 Watt. Damit sind die Kriterien schwerer bis schwerster körperlicher Arbeit erfüllt. (Quelle: Abschlussbericht EUSR 2001*)
    *) Europäische Union Spezielle Rettung, Projekt „Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen – Aus- und Weiterbildung in Europa“
  • Die Benennung der psychischen Belastung bei Arbeiten in Höhen gestaltet sich weit schwieriger. Hierbei sind hauptsächlich  emotional  belastende Einflussfaktoren von Bedeutung. Neben den Gefahren der Einsatzstelle und den speziellen Gefahren bei Übung und Einsätzen in Höhen und Tiefen muss dem Umgang mit den Auszubildenden an hoch gelegenen Übungsplätzen eine besondere Rolle zugeordnet werden. Durch Unwissenheit, Halbwissen, Vergesslichkeit, Unkonzentriertheit usw. kann es vorkommen, dass Fehler begangen werden, welche zu schweren Unfällen führen können. Den verantwortlichen Einsatzleitern, Ausbildern/Trainern wird diesbezüglich eine sehr hohe Verantwortung übertragen. Diese Tatsache unterstreicht nochmals sehr deutlich, dass diesbezüglich keine Unterschiede zwischen Einsätzen und Übungen in Höhen und Tiefen bestehen. Nur ein gut funktionierendes Risikomanagement und ein Höchstmaß an Konzentration können die Risiken auf ein akzeptables Restrisiko minimieren (Quelle: Empfehlung der AGBF -Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen, 2010)